Erinnerung in der Trauer: Von der Geige zur Pyramide
Nimm die Geige mit … und … sie wird zur Pyramide.
von Margarete Trojer, Moderatorin unseres Trauerchats
Über die Weihnachtszeit dachte ich öfters, ich möchte eine Pyramide haben – auf dem Weihnachtsmarkt gefiel mir aber keine, der Wunsch blieb offen.
Besondere Umstände führten dazu, dass ich mich entschloss, am 3. Januar eine Fahrt ins Erzgebirge zu unternehmen und für mich drei weitere Urlaubstage anzuschließen. Einen Tag vor der Abreise hörte ich ganz plötzlich den Satz: NIMM DIE GEIGE MIT. Gesagt getan, die Geige meines Mannes Gerhard, der vor acht Jahren verstarb, lag noch auf einem Schrank, sie kam ins Auto.
Ich konnte eine Nacht im Hause der Mutter meines Schwiegersohnes übernachten, dort übrigens in meinem ehemaligen Bett von vor über 60 Jahren. Diese Stockbetten dienen dort heute im Gästezimmer.
Ich hatte über Google einen Geigenbauer gesucht, er wohnt und arbeitet an der Strecke, die ich vorhatte zu fahren. Habe mich angemeldet und konnte die Geige begutachten lassen. Sie war alt, mein Mann hatte sie von einem Onkel in der Steiermark bekommen und lange darauf gespielt. Zum zweiten Mal hörte ich jetzt den Satz, dass sie dilettantisch repariert worden ist und somit an Wert verloren hatte, es ist übrigens eine Vogtländer Geige, also aus der Ecke, wo ich mit ihr wieder landete.
Lange begutachtete er sie. Ich sagte nur, dass ich nichts mit ihr anfangen könne, niemand habe Interesse. Eine ordentliche Reparatur würde viele hundert Euro kosten und dann müsste ich sie verkaufen, nein keinesfalls. Die andere Option, die er vorgeschlagen hat, dass er mir einen Geldbetrag bot und sie behalten würde, nach und nach reparieren und dann dort verkaufen. Das kam mir entgegen und ich fotografierte sie noch zweimal und bekam das Geld und eine Quittung. Mit einem zufriedenen, meinem lieben Mann Gerhard zugewandten Gefühl, verließ ich die Geigenbauerwerkstatt. Wir vereinbarten, dass ich am Jahresende einmal nachfragen darf, was aus ihr geworden ist. Er freute sich über diesen Vorschlag.
Weiter gings nach Seiffen, dieser Holzspielzeugstadt im Erzgebirge. Als ich mein gemütliches Hotelzimmer bezogen hatte, machte ich mich auf den Weg durch das noch festlich beleuchtete Seiffen. Mein Ziel war die Bergkirche, jeder Schritt war Erinnerung; denn einmal war ich mit meinem Mann in der Weihnachtszeit dort. Plötzlich stand ich vor einem Geschäft, das Spielzeugschachtel hieß, dem angeschlossen war ein hübsches Café und wieder kam die Erinnerung, dass wir damals im tiefen Schnee dort waren, ganz nass in dem Café uns aufwärmten.
Ich trat ein und stand vor wunderschönen Pyramiden. Wie ich mir sie vorgestellt habe, mit der Bergkirche, Kurrendesängern und mit Teelichtern betrieben.
Es war Ladenschluss und ich sagte, ich komme morgen wieder, die Idee war geboren – meine Pyramide, die halbe Geige! Am nächsten Tag ging ich wieder hin und mir wurde eine noch viel Schönere gezeigt, die ich dann auch sofort kaufte. Wie gut, dass ich den Ruf gehört hatte, die Geige mitzunehmen, es passte einfach alles. Kein Wunder bei der Jahreslosung: Ich bin ein Gott, der Dich sieht. Blickkontakt halten hilft tatsächlich weiter.
Im Anschluss genoss ich eine Führung in der Bergkirche, sie wurde der Dresdner Frauenkirche nachgebaut, wunderschön. Der Zimbelstern über der Orgel beeindruckte mich wieder – Erinnerungen pur. Auf dem Rückweg zum Auto holte ich meine Pyramide in der Spielzeugschachtel ab und fuhr zu meiner nächsten Station – ins Vogtland. Auch dort hatten Gerhard und ich zweimal einen Urlaub verbracht.
Am Samstag war die Reise der Erinnerung mit der Heimfahrt beendet. Schön wars.