Gebt Euch nicht auf!
Petra Waitz / Foto privat
Ich bin aus der Klinik raus und lasse mich ambulant weiter behandeln. Diese schwere Krise hat mich nun an meine persönlichen Grenzen gebracht, mir vor Augen geführt, wie vieles unbedeutend, unwichtig ist, zu unbedeutend, als dass man seine Lebenszeit und Kraft vergeudet.
Es hat sich nun schon viel bei mir verändert, es wird sich mehr ändern, Schritt für Schritt, so wie es meine Kraft zulässt.
Meine Zimmernachbarin durfte ich beim Sterben begleiten, weil in dieser Nacht eben nur ein Pfleger da war, für uns alle. Ein junger Mann, der dankbar war, dass ich das gemacht habe ... dennoch zwischendrin die Ärzte rufen musste ... was ich nicht gut fand ... da der natürliche Prozess immer wieder unterbrochen wurde, durch sinnfreie Gaben von Kortison usw. ...
Aber es steht mir nicht zu, da etwas zu bewerten, da mein Wissen sehr begrenzt ist.
Ihre Hand in meiner Hand, sie in meinem Arm. Tröstend und stärkend, begleitend. Ich durfte das und bin sehr dankbar darüber.
Wenn der Tod vor der Türe steht, da ist es dann zu spät für alles, zu spät für Änderungen und Einsichten, zu spät seinem Leben ... Leben einzuhauchen. Er ruft und man muss gehen, egal ob es passt oder eben nicht. Egal ob man noch was zu tun hat, was zu regeln hat, Menschen oder Tiere nicht allein lassen möchte... er ruft... und die Lebenszeit ist beendet.
Nicht irgendwann, sondern genau in diesem Moment.
Bis dahin aber hat jeder jeden Tag die Möglichkeit zu überdenken, zu verändern, zu verbessern ... und sei es nur die eigene Sicht auf das Leben, die Dinge, die es wirklich ausmachen.
Was kann ICH verändern, damit es mir besser geht, das sollte immer die Frage sein.
Wir können immer nur uns selbst ändern, verbessern, korrigieren, niemals aber die anderen. Was andere über uns denken, was wir bei ihnen auslösen, auch darauf haben wir nur sehr begrenzt einen Einfluss.
Und wie wichtig ist es eigentlich, was alle anderen erwarten? Ist es für uns so wichtig, dass wir freiwillig auf ein eigenes erfülltes Leben verzichten? So wichtig, dass wir aufgeben zu kämpfen, um aus der Depression herauszukommen?
Wir kommen allein auf diese Welt – und wir verlassen sie allein. Alles, was dazwischen stattfindet, ist Leben und sollte so gelebt werden, dass es sich gut anfühlt. So, dass man irgendwann in Frieden sagen kann, ja ich habe gelebt, danke ... und in Frieden irgendwann gehen darf. Selbst wenn man körperlich sehr krank ist, selbst da sollte man noch jeden Tag hinterfragen, WIE man leben möchte. Vieles kann man auch stark eingeschränkt noch verändern, dann eben mit Hilfe von außen.
Leben ist Bewegung, bitte bewegt Euch, tut Euch gut, gebt Euch nicht auf!
Nachdenklich,
Petra Waitz
Ich bin 58 Jahre alt und mittlerweile Rentnerin aufgrund meiner Erkrankungen. Als ich damals nicht mehr arbeiten konnte, bin ich in ein tiefes Loch gefallen, plötzlich war mein Alltag nicht mehr vorhanden. So habe ich mir eine neue Aufgabe gesucht. Ich leite unter anderem die von mir gegründete Facebookgruppe Depressionen, Süchte, offener Austausch mit jetzt 26.000 Mitgliedern. Täglich leiste ich dort ca. sechs Stunden ehrenamtliche Arbeit. Der Trauerchat von trauer.de wird von mir geschätzt und in der Gruppe jeweils angekündigt.